8. März 2021

Pandemie verstärkt psychische Probleme

Telefonseelsorge verzeichnet in der Corona-Krise erhöhten Gesprächsbedarf

Schwerin | Zukunftsangst, Verzweiflung, Suizidgedanken: Die psychischen Auswirkungen von Pandemie und Lockdown bekommt auch die Schweriner Telefonseelsorge zu spüren. „Der Bedarf an Begleitung und sozialer Unterstützung ist groß“, sagt Leiterin Uta Krause. Durch die Folgen von Corona hätten sich die Probleme bei vielen Bürgern verstärkt. Immer häufiger begegneten den Mitarbeitern in den Telefongesprächen Menschen, die nicht mehr weiter wissen, so Krause.

17861 Gespräche haben die ehrenamtlichen Seelsorger im vergangenen Jahr geführt, 349-mal mit Ratsuchenden gechattet. Längst nicht alle Anrufer kämen durch, der tatsächlich Beratungsbedarf sei deutlich höher, erklärt Uta Krause.

Einsamkeit bleibt Thema Nummer eins
Thema Nummer eins bei den Anrufen bleibe die Einsamkeit, berichtet die Leiterin der Telefonseelsorge. „Was allerdings auffällt: Viele Ratsuchende sind aggressiver und gefrusteter, lassen ihren Gedanken freien Lauf, haben Wut im Bauch, schimpfen auf die Politik.“ Im Lockdown fielen viele andere Beratungsangebote weg, erhöhe sich der Druck auf die Helfer am Telefon.

Keine einfache Situation für die Mitarbeiter. 105 geschulte Freiwillige sorgen dafür, dass die Telefonseelsorge unter den Rufnummern 0800/1110111 und 0800/1110222 rund um die Uhr erreichbar ist. 17 künftige Seelsorger befinden sich in der Ausbildung, die augenblicklich digital erfolgt. „Unsere Mitarbeiter müssen ebenfalls mit den Belastungen der Pandemie fertig werden“, sagt Uta Krause.

Ratsuche auch im Chat oder per App
Seit knapp zwei Jahren gibt es die Möglichkeit, auch mit der Telefonseelsorge zu chatten. „Unter https://sis-schwerin.de/externer-link/?href=www.telefonseelsorge.de können Interessierte einen Termin vereinbaren“, erklärt Uta Krause. Es seien überwiegend Jüngere, die das Angebot nutzen. „Die Ratsuchenden kommen im Chat meistens schnell zum Punkt“, so die Leiterin der Telefonseelsorge. Auf der Internetseite gäbe es auch Informationen zum neu eingerichteten Krisen-Kompass, den sich Menschen in schwierigen Lebenssituationen als App herunterladen könnten.

Gewalterfahrungen oder Versagen belasten junge Menschen besonders
Oft seien es lang anhaltende Probleme, Schwierigkeiten in der Beziehung, das Versagen in Schule und Ausbildung und Gewalterfahrungen, die die jungen Leute in schwere und schwerste Existenzkrisen führten, berichtet Uta Krause. Die Mitarbeiter der Telefonseelsorge versuchten, durch ihr Zuhören Halt zu geben und zugleich Wege aus der Krise aufzuzeigen.

Die Leiterin der Telefonseelsorge rechnet damit, dass die Corona-Krise in der Psyche vieler Menschen nachwirken werde. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Zahl psychischer Erkrankungen zunehmen wird“, betont Uta Krause. Um so wichtiger sei es, dass die Gesellschaft soziale Hilfsangebote bereithalte: „Schwierige Situationen lassen sich aushalten, wenn es ein Licht am Ende des Tunnels gibt.“

Seelsorge feiert 30-jähriges Jubiläum
In diesem Jahr feiert die Ökumenische Telefonseelsorge in Mecklenburg ihr 30-jähriges Jubiläum. Allerorts sei die Arbeit der Seelsorge anerkannt. Dennoch müsse die Finanzierung immer wieder sichergestellt werden, sagt Uta Krause. Getragen werde die Seelsorge von der evangelischen und der katholischen Kirche, von Diakonie und Caritas, Zuschüsse kämen vom Land und von den Städten und Kreisen.

Quelle: https://www.svz.de/lokales/zeitung-fuer-die-landeshauptstadt/Schweriner-Expertin-Pandemie-verstaerkt-psychische-Probleme-id31387012.html

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